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Zeitlichkeit

Das Kunsthaus Bregenz widmet der englischen Künstlerin Tacita Dean eine grosse Einzelausstellung. Gezeigt werden drei Filminstallationen, die um Themen wie Erinnerung und Einfühlung kreisen. Zudem möchte die Künstlerin mit ihnen analoge Filmtechniken wiederbeleben. Überdies warten zwei neue Kreidezeichnungen auf die Besucher, in denen Dean sich mit Naturgewalten und Legenden auseinandersetzt.

 

Text: Julian Bruns – 16.10.2018

 

Tacita Dean, die Ateliers in Los Angeles und Berlin besitzt, arbeitet gerne mit verschiedene Medien und Mischtechniken. Dabei setzt sie auf Film und Fotografie genauso wie auf Malerei, Zeichnungen, Klanginstallationen und visuellen Erzählungen. Vom 20. Oktober 2018 bis zum 6. Januar 2019 zeigt das Kunsthaus Bregenz drei ihrer Filmprojekte sowie zwei monumentale Kreidezeichnungen auf Schiefertafeln.

 

Naturgewalten
Im Erdgeschoss des Kunsthauses Bregenz erwarten die Besucher die angesprochenen Kreidezeichnungen. Sie heissen The Montafon Letter (2017) und Chalk Fall (2018). Zu ersterer Arbeit liess Tacita Dean sich von einer Geschichte inspirieren: Ein Lawinenabgang im 17. Jahrhundert erschüttert das Montafon, ein Bergtal im Süden Vorarlbergs. Der Legende nach wurde anschliessend der Geistliche, welcher die Toten segnete, von einer zweiten Lawine verschüttet und von einer dritten wieder freigelegt.
Das Werk Chalk Fall entstand eigens für die Ausstellung. Ebenfalls mit Kreide auf schwarzem Schiefer gezeichnet, zeigt dieses Werk den Einsturz einer Kreideklippe. Die rauschenden und monochronen Flächen erinnern in beiden Arbeiten an die weiten Himmel, Gebirgskämme, Kräfte und Düsternis der Gemälde William Turners, so die Kuratoren.

 

Verschmelzen von Erinnerung und Gegenwart
In den drei Obergeschossen des Kunsthauses wird je eine von Deans Filmarbeiten gezeigt. Den Auftakt im ersten Stock macht ihr aktuellstes und aufwendigstes Filmprojekt Antigone (2018). Zwei einstündige 35-mm-Filme werden synchron an die Wand projiziert. Sie zeigen Sonnenfinsternisse, gefilmt im Bodmin Moor in England, dem Yellowstone-Nationalpark und der wilden Landschaft von Wyoming. Durch die Mehrfachbelichtung fallen unterschiedliche Orte und Zeiten zusammen – ähnlich wie persönliche Erinnerungen, aktuelle Erlebnisse und Mythen sich in unserer Gedankenwelt durchdringen, findet die Künstlerin. 

 

Performativer Stillstand
Im verdunkelten zweiten Obergeschoss findet die aus sechs Leinwänden bestehende Filminstallation Merce Cunningham performs Stillness… (2008) Platz. Merce Cunningham tanzt zum Musikstück 4’33” seines Partners, dem Komponisten John Cage. Das Besondere: Bei der Komposition wird innert vier Minuten und 33 Sekunden nicht ein Ton gespielt. Cunningham nimmt verschiedene Posen ein, die er jeweils für einen Satz des dreiteiligen Stücks hält. Mit dieser Arbeit möchte Dean an die Frühzeit der Fotografie erinnern, als noch lange Belichtungszeiten notwendig waren und die Porträtierten still halten mussten.

 

Fotochemische Ästhetik
Schliesslich befindet sich die tonlose Installation Film (2011) im dritten Obergeschoss. Mit alten Filmtechniken wie Abdeckmasken, Kulissenmalerei auf Glas und handgefertigten Kolorierungen spürt Dean der Materialität, der Atmosphäre und der Prosa des Films nach. Zu sehen sind einzelnen Filmbilder des Filmstreifens, die in bunten Farben leuchten. Das ursprünglich für die Turbinenhalle der Tate Modern in London konzipierte Werk stammt aus einer Zeit, als das fotochemische Filmverfahren zu verschwinden drohte. Sie kennzeichnet den Beginn von Deans Kampagne für den Erhalt dieser Technik.
Am 20. Oktober 2018 um 11 Uhr diskutiert Tacita Dean an der Vernissage der Schau mit dem Videokünstler David Claerbout, dem die diesjährige Sommerausstellung im Kunsthaus Bregenz gewidmet war, über ihre Arbeit.

 

Die Ausstellung Tacita Dean ist vom 20. Oktober 2018 bis zum 6. Januar 2019 im Kunsthaus Bregenz zu sehen.

 

> Von menschlichen und künstlerischen Spuren in archaischen Landschaften handelt auf Philip Ursprungs Essay in archithese 4.2018  Landart / Erdarchitektur, die im Dezember erscheint.

> Das Kunsthaus Bregenz feierte 2017 seinen 20. Geburtstag.

> Im Frühjahr 2017 waren im Kunsthaus Bregenz Filmcollagen von Rachel Rose zu sehen.

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