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Satteldach und Klinker

Der Vitra Campus in Weil öffnet sich mit dem Neubau des Schaudepots von Herzog & de Meuron Richtung Basel und schafft mit einem öffentlich Platz im Süden des Areals einen neuen urbanen Ort, der Aufforderung und Versprechen zugleich ist.

 

Text: Andrea Wiegelmann – 8.6.2016

Von der privaten Sammlung zum öffentlichen Museum
Das der Vitra Campus weitaus mehr ist, als der Produktionsstandort eines der renommiertesten Mödel- und Bürosystemherstellers, ist bekannt. Rolf Fehlbaum, der emeritierte Vorsitzende des Familienunternehmens, hatte von Beginn an auch die Vermittlung um die Geschichte und Entstehung von Design im Blick. Der passionierter Sammler von Stuhlklassikern, unter anderem von Charles und Ray Eames und Jean Prouvé, hatte 1989 das gleich neben dem Haupteingang zum Werksgelände das Vitra Design Museum von Frank Gehry errichten lassen, um seine wachsende Sammlung für ein breites Publikum zugänglich zu machen.
Mit der Berufung Alexander von Vegesacks als Direktor wurde aus dem Depot ein Museum. Die mit den Jahren weiter wachsenden Sammlung war jeweils nur in Facetten in wechselnden Ausstellungen zu sehen. Ein Depot fehlte weiterhin.
Mit dem Neubau des Schaudepots bekommt die Sammlung, die inzwischen gut 20 000 Objekte umfasst, nun ein neues Zuhause: Sie ist fortan für die Öffentlichkeit zugänglich und bietet damit, ergänzend zu den thematischen Ausstellungen des Museums, Einblicke in die Geschichte des Möbeldesigns vom 18. Jahrhundert bis heute.

 

Das Innenleben des Schaudepots
Der Neubau gliedert sich in zwei Bereiche: das obere Geschoss mit den Ausstellungsräumen, die «Basilika», wie der Raum von Jacques Herzog beim Eröffnungstalk vergangenen Freitag bezeichnet wurde, und ein darunter befindliches Archiv, das eigentliche Lager. Der Begriff Basilika ist treffend angesichts des klaren, weissen, rechteckigen Raums, der die äussere Form im Inneren nachzeichnet. Hier sind in einfachen wandhohen Regalen 400 ausgewählte Stühle gegliedert nach Epochen ausgestellt.
Im darunter liegenden unterirdischen Depot befindet sich ein zentraler Raum, der für Workshops genutzt werden soll und der ebenfalls den Besuchern offen steht. Von hier aus gibt es durch raumhohe Glasscheiben Einblicke in das eigentliche Möbellager. Ein Bijou ist die Originalgetreue Rekonstruktion des Arbeitszimmers von Charles Eames. Das Depot soll, so Marc Zehnter, Direktor des Vitra Design Museums, auch als Ort der Vermittlung dienen.

 

Von Münchenstein nach Weil am Rhein
Die Typologie des Schaudepots, des öffentlich zugänglichen Archivs, die Herzog & de Meuron mit dem Schaulager in Münchenstein (2003) eingeführt haben, hat nun also am anderen Ende der Stadt eine Entsprechung gefunden. Doch während das Schaulager in einem heterogenen, städtischen Umfeld einer Landmark gleich einen Ort definiert, nimmt sich das Schaudepot von Vitra als Teil eines städtebaulichen Ensembles zurück.
Das Depot zitiert, wie schon beim Vitra Haus (2009) – dem Ausstellungsgebäude der Vitrakollektionen, ebenfalls von Herzog & de Meuron – die Form des Satteldachhauses. Die einfache Form wird durch die geschlossene Fassade betont. Sie besteht aus Klinkern, die mit einer gebrochenen Seite nach aussen angeordnet sind, und erhält dadurch eine homogene und plastische Oberfläche. Der Eingang ist über ein Plateau zu erreichen, das, erhaben und ebenfalls mit Klinkern gepflasterte, einen Platz formuliert an den auch ein Café angegliedert ist.
Eindrücklich ist, wie die Architekten in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Günther Vogt den Neubau nutzen, um im Süden des Areals einen neuen städtischen Ort zu definieren, der wie sein Pendant im Norden für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

 

«Non-iconic building»?
Die Feuerwehrstation von Zaha Hadid aus dem Jahr 1993 wurde in dieses Ensemble integriert. Sie markiert nicht mehr das Ende des Produktionsgeländes sondern steht nun frei. Ihre komplexe räumliche Komposition wird damit gleichsam erfahrbar.
Die Gegenüberstellung von Feuerwehrstation und der einfachen Form des Schaudepots weisst gleichzeitig auf die Entstehungszeit der Bauten hin. Pierre de Meuron hatte das Schaudepot im Eröffnungsgespräch als «non-iconic-building» bezeichnet. Das ist untertrieben, jedoch ist die konsequente Vereinfachung im Sinne einer Reduktion von Form und Materialität, eine Tendenz, die sich bei den Bauten des Büros derzeit häufig zeigt und die wegführt von der Bildhaftigkeit, welche die Jahre davor geprägt hat.
Die Symbiose aus Landschaftsgestaltung und Architektur und der mit Schaudepot und Café geschaffene Platz als Entrée zum Areal sind gelungen. Der urban anmutende Ort verzahnt den Campus mit der Stadt Weil am Rhein und – das dürfte Herzog & de Meuron ein wichtiges Anliegen gewesen sein – durch die Tramanbindung nach Basel verschmelzen die Grenzen zwischen den Städten zur Metropolitanregion.

 

Die Videos zur Talkrunde finden Sie hier.

 

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