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Pile up and jam.

Ein Pfeilerwäldchen aus Kies und Schnur steht bis am 4. November 2018 auf dem Kirchplatz in der Altstadt von Winterthur. Es trägt eine quadratische Stahlplatte. Gemeinsam formen sie den «Rock Print Pavilion». Aufgeschichtet hat die Experimentalstruktur ein Roboter.

 

Text: Manuel Pestalozzi – 3.10.2018
Abbildungen: Michael Lio / Christian Beutler © Gramazio Kohler Research

 

Kies bildet Haufen, Schnüre kommen in Knäueln oder Spindeln. Dass sie gemeinsam ohne weitere Zutaten vertikale, belastbare Tragstrukturen bilden können, entdeckte das Forschungsteam Gramazio Kohler Research der ETH Zürich. Es hat den In-situ Fabricator, einen Roboter des Lehrstuhls, so trainiert, dass er die Steinchen und eine kontinuierliche Schnur-Schlaufenfolge vertikal auftürmen kann. In diesem Jamming genannten Trockenbauverfahren errichtete das Projektteam mit Petrus Aejmelaeus-Lindström und Gergana Rusenova (Projektleitung), Hannes Mayer, Ammar Mirjan, Esther Lombardini und Jesús Medina Ibáñez auf dem Campus der ETH Zürich und an der Architekturbiennale in Chicago bereits skulpturenartige Versuchsstrukturen, wie man sie mit Sicherheit zuvor noch nie gesehen hat.

 

Roboter als Hochstapler
In diesem Herbst begleitete das Team den In-situ Fabricator nach Winterthur. Mitten in der Altstadt, gegenüber dem Gewerbemuseum Winterthur, liessen sie ihn eine Komposition aus elf Pfeilern nach der beschriebenen Methode aufschichten. Der Roboter ist ein Arbeitsinstrument, betonte Professor Fabio Gramazio anlässlich einer Begehung am 3. Oktober, mit ihm erbringen Menschen «handwerkliche Präzision». Auf die elf Säulen wurde eine Stahlplatte gesetzt. Sie macht aus der Skulptur Architektur – den «Rock Print Pavilion». Beim Gewerbemuseum Winterthur steht er, weil dort die Ausstellung Hello,Robot in ihre Endphase geht und so eine attraktive Ergänzung erhält.

 

Kleine Teile mit grosser Kraft
Gramazio Kohler Research konnte für dieses Vorhaben Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG aus Zürich ins Boot holen. Das Unternehmen betätigte sich nicht nur als Sponsor, es wagte sich auch als Statiker in dieses konstruktive Neuland und garantierte, dass das Dach zuverlässig in Position bleibt. Wie an der Begehung zu erfahren war, stärkt die Belastung die Tragfähigkeit der Struktur; die in zwei Teilen angelieferte Dachplatte ruht auf Stahltellern, die mit kurzen Dornen in der Kies-Schnur-Struktur verankert sind. Die Anordnung und Ausformung der Säulen, die sich im unteren Bereich teilweise zu Wänden vereinen, beruht nicht nur auf gestalterischen Prinzipien und statischen Erfordernissen. Formbestimmend waren ebenso die Arbeitsweise und die physischen Kapazitäten des In-situ Fabricators: Auch Roboter brauchen Ellbogenfreiheit.
Das Forschungsteam überwacht den Pavillon und misst die Performance der Struktur. Am 4. November 2018 wird das Dach wieder entfernt. Anschliessend kann man, wie es schon bei der im selben Sinn konzipierten Skulptur Rock Print an der Architekturbiennale 2015 in Chicago geschehen ist, die ordinäre Recyclingschnur einfach wieder aufspulen. Der Kies wird befreit, fällt wieder zu Erde und sammelt sich zu Haufen.

 

Der Pavillon ist auf dem Kirchplatz vor dem Gewerbemuseum Winterthur bis zum 4. November 2018 zu sehen. 

 

> Fabio Grammazio diskutierte mit archithese-Chefredaktor Jørg Himmelreich über Potenziale der Inustrie 4.0 für die Architektur.

> Hello Robot! Ein Bericht von der Schau, als sie in Weil am Rhein zu sehen war. 

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