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Fassade des Centro Cultural in Sevilla von Miguel Fisac

Affe der Stoffe

Ákos Moravánszkys Abschiedsvortrag an der ETH Zürich

 
Text: Andrea Wiegelmann – 2.3.2016

 

Ákos Moravánszky war 20 Jahre lang Professor für Architekturtheorie am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich. Mit seiner Auffassung von Architekturtheorie als eines der Fundamente der Arbeit eines Architekten ist es ihm, gelungen, den Studierenden eine lebendige, angewandte Theorie zu vermitteln. Seine Begeisterung für seine Profession ist bei ihm ständig zu spüren – im Unterricht, seinen Büchern und Vorträgen.

Gestern Abend nun hielt der gebürtige Ungar, der Architektur, Kunstgeschichte und Denkmalpflege in Budapest und Wien studiert hat und dessen berufliche Laufbahn von Budapest über Wien, München, Santa Monica und Cambridge an die ETH geführt hatte, seinen Abschiedsvortrag. Ákos Moravánszkys hat dabei einmal mehr mit Begeisterung und profunder Kenntnis seines Metiers die Zuhörer mit ebenso interessanten wie aufschlussreichen Aspekten zum Umgang mit elastischen Materialien in der Architekturgeschichte im besten Sinn unterhalten. Annette Spiro, die den Vortragenden einführte, zitierte treffend den Architekturhistoriker Christoph Schläppi: «Während andere Kunsthistoriker sich an ihren Themen abarbeiten, geht Ákos über eine Blumenwiesen und pflückt einen schönen, in sich stimmigen Blumenstrauss.»

Und so führte Moravánszkys auf den Spuren des Elastischen anschliessend durch die Architekturgeschichte des letzten Jahrhunderts, ausgehend von Gottfried Sempers Beschreibung des Kautschuks und knüpfte gezielt ausgesuchte «Blüten» zu einer neuen Argumentationskette. Dem Vorsteher und zugleich ersten Professor der Bauschule (ab 1855) des neu gegründeten Eidgenössischen Polytechnikums in Zürich attestiert Moravánszkys eine grosse Offenheit gegenüber dem neu entdeckten Material. Bringe es doch mit seinen elastischen Eigenschaften Sempers in Die vier Elemente der Baukunst formulierte Systematik scheinbar durcheinander. Hätten einige Architekten und auch Ingenieure die Möglichkeiten und das Formenrepertoire elastischer Baustoffe früh für sich entdeckt und in ihre Bauten überführt, wie etwa der italienische Ingenieur und Nervi-Schüler Sergio Musmeci oder der Architekt Miguel Fisca, dessen Bauten immer auch das Verfahren der Erstellung, etwa das Giessen des Betons spiegelten, so gab es auf der anderen Seite auch Berührungsängste. Doch Moravánszkys veranschaulichte, dass selbst im rigiden Formenvokabular der Moderne die «Seele der Plastizität» nie ganz verschwunden war. Die Ambivalenz zwischen kontrollierter und freier Formbarkeit, die Begeisterung ebenso wie Ablehnung evozieren könne, habe Semper seinerzeit bereits treffend erfasst, in dem er den Kautschuk als «Affen der Stoffe» beschrieben habe. Der Kautschuk lasse, vergleichbar einem Primaten, der uns zum Lachen bringe, weil wir Differenz und Ähnlichkeit gleichzeitig wahrnehmen, eben jene Ambivalenz zwischen fest und elastisch offensichtlich werden. Lasse man sich darauf ein, entstünden Möglichkeiten der Formfindung und -behandlung, die «einem Stillisten den Verstand still stehen» liessen.


Man darf sich durch Moravánszkys eingeladen fühlen, diese Möglichkeiten weiterzudenken und hoffen, dass es viele weitere Gelegenheiten geben wird, seinen Gedankengängen zu lauschen.

 

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