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Zwischen Collage und Kontext

Was verbindet und unterscheidet die Generation Superdutch von der blühenden flämischen Architekturszene von heute, die längst aus dem Schatten der Nachbarn getreten ist? Kuratorin Sofie De Caigny vom Flämischen Architekturinstitut möchte mit ihrer Schau Maatwerk / Massarbeit im Deutschen Architekturmuseum DAM diese Frage beantworten. Corinne Elsesser von der Neuen Zürcher Zeitung hat sich umgesehen und ihr Fazit «Massarbeit und grosse Gesten» legt einen Besuch in Frankfurt ans Herz.

 

Text: Elias Baumgarten – 16.12.2016

Corinne Elsesser vermisste in Frankfurt zwar eine klare Strukturierung der Schau und eine historische Einführung, doch bilanziert sie, dass diese einen Eindruck von der Vielfalt der aktuellen niederlänisch-flämischen Architekturszene vermittele. Die über sechzig Originalmodelle, so schrieb sie, zeigen die grosse Kreativität der Architekturschaffenden aus der Grenzregion zwischen Belgien und den Niederlanden. Elsesser zeigt sich besonders angetan von den Bricolagen und gebastelten Architekturen von Büros wie De Vyler Vinck Taillieu, der «Ästhetik des Unfertigen» in ihren Gestaltungen. Toll interessiert sich die Autorin dafür und unterstreicht damit die Aktualität des Phänomens: archithese wird sich diesem im kommenden Jahr mit dem Heft Bri-Collagen widmen, das am 1. September erscheint.

 

Rem Koolhaas – Hybride, Collagen, Moderne
«Ästhetik des Zufalls», eigenwillige Formen, Collagen und hybride Bauten – diese Stichworte machen für Corinne Elsesser Rem Koolhaas Gestaltungen aus. Trotzdem ist er für sie – vielleicht auch um negative Konnotationen zu umschiffen – kein postmoderner, sondern hat die Moderne zu einem Zeitpunkt weiterentwickelt, da sie für beendet erklärt wurde.

In ihrer Rezension hebt sie besonders die Collagenhaftigkeit von Koolhaas Kunsthal (1992) in Rotterdam hervor. Der Bau besteht aus verschiedensten Materialien, naturbelassene Baumstämme genauso wie Edelstahl und Travertin, und verbindet als Überbauung eines öffentlichen Platzes zwei Strassen miteinander. Zur Zeit seiner Entstehung fristete die Architektur im benachbarten Flandern noch eher ein Schattendasein, so Elsesser. Doch bis heute sich dies nachhaltig verändert und die Region ist durch Massnahmen wie die Lancierung des Amtes des Vlaams Boumeester (1999) und offenen Wettbewerben zum Architektur-Hotspot avanciert. Koolhaas Collagen sind dabei zu einem verbindenden Element zwischen der Generation Superdutch und der flämischen Szene geworden.

 

Massarbeit statt grosser Gesten
Im Unterschied zu den Niederlanden, arbeite man in Flandern auf kleinerem Massstab, detailgenauer und mit wesentlich stärkerem Bezug auf die unmittelbare Umgebung, so die NZZ-Autorin. Besonders Einfamilienhäuser seien dabei eine Spielwiese für die Kreativität flämischer Architekturschaffender. Als Beispiel führt sie das Haus K-Tichel 4 des Büros De Vyler Vinck Tailieu an, eine Bricolage aus ineinander verschachtelten grossen und kleinen Räumen. Diesem Projekt bescheinigt Elsesser ausserdem in besonderem Masse eine «Ästhetik des Unfertigen».

 

Zwischen Bri-Collage und Neuem Feingefühl
Interessant, dass Elsesser der flämischen Szene einerseits eine stärkere Sensibilität für den Kontext attestiert und andererseits die Collagenhaftigkeit ihrer Gestaltungen hervorhebt. archithese fragt mit den Heften Bri-Collage und Neues Feingefühl im Jahr 2017 nach helvetischen und internationalen Architekturen mit eben solchen Qualitäten. Damit stellt sich auch die Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen jungen Büros in Belgien und der Schweiz bestehen.

 

Die Ausstellung Maatwerk / Massarbeiten ist noch bis zum 12. Februar im DAM in Frankfurt zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos. Der Katalog Maatwerk. Made to Measure kann vor Ort für EUR 24,50 erworben werden. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des DAM.

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