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Sakralisierte Sachlichkeit

Die 1933 eröffnete Kunstgewerbeschule in Zürich entspricht konsequent den Prinzipien des Neuen Bauens. In den vergangenen Jahren erfuhr der in die Jahre gekommene Gebäudekomplex eine «Repurifizierung». Das gelungene Unterfangen wurde nun mit der Herrichtung des Stammhauses des Museums für Gestaltung komplettiert. Am 3. März 2018 wurde es feierlich wiedereröffnet.

 

Text + Fotos: Manuel Pestalozzi – 15.3.2018

 

Architektonische Perle
Architekten des Baukomplexes am Sihlquai waren Adolf Steger (1888–1939) und Karl Egender (1897–1969). Das Museum ist in einem Quertrakt untergebracht, der zum Klingenpark nach Südwesten orientiert ist und mit einem Kopfbau abgeschlossen wird. Beim Besuch zur Neueröffnung am 3. März 2018 liess sich konstatieren: Alles ist beim Alten geblieben – wobei es jetzt «besser alt» ist als je zuvor! Ziel war es, die ursprüngliche Anlage des Museums wieder herzurichten. Dazu wurden Zwischenböden entfernt. Dabei ist offensichtlich, dass der Bau bereits vor der aktuellen Sanierung gut im Schuss gehalten worden war und sich die «Verunstaltung» durch Anpassungen während den Jahrzehnten seit der Entstehung in Grenzen gehalten hat. Die Besucher, welche das Museum aus früheren Zeiten kennen, werden sich immer noch wie zu Hause fühlen. Die Originaltüren und -fenster mit den robusten Beschlägen aus den 1930er-Jahren, die Stahlbrüstungen und -geländer sind alle noch da und präsentieren sich so schlicht und nahbar wie eh und je.
Die Sanierung erfolgte durch Ruggero Tropeano Architekten, die sich als profunde Kenner der Klassischen Moderne einen Namen und bei zahlreichen Projekten auch als umsichtige Renovierer verdient gemacht hat. Die Liebe zu stilechten Details durchdringt das aufgefrischte Museum. Deshalb kann man designinteressierten Personen auch den Besuch der WC-Anlagen ans Herz legen: Dort findet eine wirklich originelle, elegante, unprätentiös-stilvollendete Durchdringung von Alt und Neu statt.

 

Nähe zu kirchlicher Architektur
Durch das «Ausräumen» des Museums tritt dessen basilikale Grundstruktur wieder klar zu Tage: Das Haupt- wird flankiert von zwei Seitenschiffen, die sich auch mit einem Wechsel im Bodenbelag abgrenzen. Der «Obergaden» wird flankiert von zwei Galerien. Eine dient als Garderobenzone, die andere bietet eine Abfolge von hinreissend möblierten Lounges, wo unter Kinder derzeit unter Anleitung Mini-Designmöbel nachbauen können. Die «Basilika», eine betörend schlichte, gut lesbare Betonrahmenstruktur, dient Wechselausstellungen. Aktuell wird sie vom Westschweizer Designatelier Oï mit teilweise bewegten Installationen und Interieurs bespielt. Farbige Vorhänge und indirekte Beleuchtung tauchen den nüchternen Raum in süsslich wirkendes Licht. Faszinierend ist auch die «Krypta» im Untergeschoss, die durch eine etwas überdimensionierte Originaltreppe erschlossen ist. Dort zeigt das Museum für Gestaltung im Dämmerlicht Schätze aus seiner reichhaltigen Sammlung und historische Interieurs.

 

Museale Starre?
Designmuseen sind Gebrauchsgegenständen gewidmet. Eigentlich erteilen sie nicht nur Anschauungs-, sondern auch Anfassungsunterricht. Zumindest sollten sie das: Das hergerichtete Museum in Zürich vermittelt jedoch den Eindruck, dass es darauf ausgerichtet ist, diese Gebrauchsgegenstände zu sublimieren und dem Alltag, für den sie gedacht sind, zu entfremden. Im Grunde genommen trifft man auf moderne Varianten von Marcel Duchamps objet trouvé, vergleichbar mit dem Urinal, das den Weg ins Kunstmuseum gefunden hat. Bloss fehlt in der Dauerausstellung im Zürcher Untergrund die damalige Ironie. 

 

> Manuel Pestalozzi schreibt in der Swiss Performance 2018 über den Wohnturm von wild bär heule architekten in Winterthur.

> In Swiss Performance 2017 lesen Sie Manuel Pestalozzis Kritik über den Campus Moos in Rüschlikon von E2A Architekten.

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