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Rekonstruierte Filmstudios für die Kunst

OMA strukturiert das Areal der Granada Studios komplett um. Ein Konglomerat aus pragmatischen, rechteckigen Hallen und einer Auditorium-Wolke ersetzt die alten Studios. Dies soll die Revitalisierung des ehemaligen Industriegebiets anstossen.

 

Text: Anne-Dorothée Herbort – 16.1.2017

 

Für ein eigenständiges Manchester
Auf dem sechs Hektar grossen Areal der Granada Studios soll eine Stadt in der Stadt entstehen. Das durchmischte Quartier – mit 50-stöckigen Wolkenkratzern, Mehrfamilienhäusern und einem Grüngürtel am Flussufer soll einen starken eigenen Charakter haben. Rem Koolhaas wurde mit der gigantischen Umstrukturierung beauftragt. Treibende Kraft und Investor dahinter ist die Bauunternehmung Allied London – Besitzerin des Baugrunds und grossen Anteilen des umliegenden St.John-Quartiers. Sie will aus Manchester eine zeitgenössische Stadt machen.
Manchester und sein Umland ist mit fast drei Millionen Einwohnern eine der grössten Agglomerationen in England. Während der Zeit der Industriellen Revolution spielte es eine Schlüsselrolle. Die zahlreichen Bäche, die in den Pennines nördlich und östlich der Stadt entspringen, waren ideal für die Errichtung von Baumwollspinnereien. Ausserdem war ihre Nähe zum Hafen in Livrepool für das wirtschaftliche Wachstum favorabel.
Mit der Weltwirtschaftskrise hat die Nachfrage für Textilien aus Manchester dramatisch abgenommen. Dank ihrer führenden Rolle in der Informatikbranche konnte sich die Wirtschaft der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg etwas erholen. Grosse Filmproduktions-Studios der BBC und der Granada TVs, einer der Hauptstütze von ITV, siedelten sich an.
Seit einigen Jahren konnte Manchester, vor allem durch Revitalierungsprojekte der Innenstadt, prosperieren. Die Stadt will nun mit der Umstrukturierung des St.John-Viertels das Wachstum weiter pushen, um sich gegenüber der Hauptstadt London als zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort aufzustellen.

 

Kulturfabrik als Zugpferd
Eines dieser Grossprojekte, das als Motor zur Vermarktung des neuen Quartiers und der Stadt dienen soll, ist die 110 Millionen Pfund schwere Factory von Office for Metropolitan Architecure. Es soll über 1 500 Arbeitsplätze schaffen und lokale Künstler von der Abwanderung nach London abhalten. Das Haus wird das Zentrum des Manchester International Festivals werden, welches seit 2007 alle zwei Jahre Künstler aus verschiedenen Sparten zusammenbringt und ihnen eine Plattform zur Präsentation neuer Werke bietet.

 

Flexibilität ohne Ende
Mit der 12 100 Quadratmeter grossen Factory baut OMA sein erstes öffentliches Gebäude im Vereinigten Königreich. An eine pragmatische, frei bespielbare Schuhschachtel mit Hallen ist eine Auditorium-Wolke mit zwei Standbeinen angedockt. Interessant ist die Kreuzung des Raumgefüges, die eine Vielzahl an Vorstellungsdispositiven zulässt: Die drei Hallen können unabhängig von einander bespielt werden. Alternativ könnne sie dem Auditorium als riesige Hinter- und Nebenbühne angekoppelt werden. Kompositorisch wirkt der ganze Entwurf unbeholfen und wenig elegant. Wäre die Factory ein Umbau, könnte man das aprupte Aufprallen der verschiedenen Volumen verstehen. Warum der Neubau sich als grobschlächtiges Patchwork präsentiert, bleibt ein Rätsel. Das gesamte Areal der Granada Studios wird dem Erdboden gleich gemacht, um letztlich etwas «Ähnliches» wieder aufzubauen. Denn die Zeichnungen Rem Koolhaas’ zeigen nichts anders als freibespielbare high-tech Filmstudio-Architektur. Einzig ein Portalbogen aus Backstein soll in den Ersatzneubau integriert werden und an die einstige Filmproduktionsstätte erinnern.
Die Kredite für die weitere Planung des Neubaus wurden von der Stadtregierung letzte Woche gesprochen. Dem Projekt steht aus politischer und finanzieller Sicht also nichts mehr im Wege. In zwei Jahren soll die Kulturfabrik bezugsbereit sein.

 

Konträre Haltungen bei OMA zum Umgang mit Bestand
Nachdem vor wenigen Wochen OMA mit dem sensiblen Umbau der Fondaco dei Tedeschi oder der Fondazione Prada in Mailand unsere Aufmerksamkeit erregte, wirkt der Vorschlag für Manchester umso unverständlicher. Obwohl die neuen Elemente der Fondazione Prada mit ihren vergoldeten und verspiegelten Oberflächen klar im Industrie Areal herausstechen, nehmen sie einen Dialog mit den bestehenden Produktionsgebäuden der ehemaligen Brennerei auf. Im Gegensatz zur Factory in Manchester verschränkt sich in Mailand Alt und Neu zu einem harmonischen Ensemble. Auch in der Fondaco dei Tedeschi gelang es Rem Koolhaas durch das Einfügen poppiger Rolltreppen dem 800 Jahre alten Bau neues Leben einzuhauchen. In beiden Fällen bildet die bestehende Substanz den Nährboden für die Gestaltung der Umnutzung.

 

> Zwischen Collagen und Kontext: Was verbindet und unterscheidet die Generation Superdutch von der blühenden flämischen Architekturszene von heute?

> Im Heft archithese 2.2010 Grosser Massstab anlysieren Robert Kaltenbrunner und Rahel Kesselring mehrere grossmasstäbliche Projekte von OMA in Holland, Dubai und Singapur.

 

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