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Protostructures schützen

Von Wegwerfmentalität halten Muck Petzet und Mathieu Wellner nichts – ungefähr genauso wenig wie vom Verkauf städtischer Grundstücke in Münchens Zentrum. Nun wehren sich die beiden Architekten mit einer Petition gegen den Abriss des Hirmer-Parkhauses an der Sattlerstrasse. Gerne möchte die Stadt den Nachkriegsbau loswerden und bereits Anfang 2017 hätte die Abrissbirne geschwungen werden sollen, um Platz für den Neubau eines Investors zu schaffen. Doch Politik und Developer können sich bisher nicht einigen und das Projekt verzögert sich. Nun hat Petzet eine Studie vorgelegt, welche die Umnutzung des Parkhauses vorschlägt.

 

Text: Elias Baumgarten – 12.11.2017  

 

Grosse Pläne, doch keine Einigung
Das Grundstück auf dem das Hirmer-Parkhaus 1962 gebaut wurde, gehört der Stadt München. 2016 lief der Pachtvertrag der Münchner Hochgaragen GmbH aus. Eigentlich sollte das Gebäude Anfang des Jahres abgerissen werden, um einem Neubau Platz zu machen. Doch vorerst können Autofahrer die Garage weiter ansteuern, denn der Vertrag wurde verlängert – nach Informationen der Münchner Tageszeitung Merkur um weitere zwei Jahre. Danach sollen die Bagger anrollen. Der Abriss ist also aufgeschoben, doch nicht abgesagt.
Die Stadtverwaltung hat grosse Pläne mit dem Hirmer-Grundstück: Zwischen der Hofstatt, dem ehemaligen Verlagshaus der Süddeutschen Zeitung, und der Kaufinger-Tor-Passage soll eine weitere grosse Passage mit Geschäften, Büros und Wohnungen entstehen. Auch das alte Postgebäude gegenüber des Parkhauses soll Teil dieses Projekts werden. Es befindet sich bereits in den Händen eines privaten Investors. In den Geschäftslokalen sollen sich lokale Einzelhändler einmieten. Internationalen Ketten wollen die Politiker hier möglichst nicht. Diese Forderung sollen gar den Weg in den Bebauungsplan finden. Doch bisher konnte sich die Stadt mit den Investoren nicht einigen. Ein erster Entwurf für den Bebauungsplan soll jetzt vom zuständigen Referat in 2018 vorgelegt werden.

Parkhaus als Protostructure 
Muck Petzet und Mathieu Wellner halten die Pläne für verfehlt. Deswegen haben die beiden Architekte eine Petition lanciert. Sie befürchten eine weitere Kommerzialisierung der Münchner Innenstadt, so schreiben sie in ihrem Petitionsbrief, und kritisieren die Idee, das Grundstück überhaupt in private Hände zu geben. Muck Petzet, der den deutschen Beitrag Reduce Reuse Recycle zur Architekturbiennale 2012 in Venedig gestaltete, hat nun eine Studie vorgelegt, in der er die Umnutzung des Parkhauses vorschlägt. Er setzt sich im Sinne der Nachhaltigkeit mit seinen Projekten immer wieder für Umbau und Umprogrammierung ein. Für ihn stellt das Parkhaus eine Protostructure dar, die verschiedensten neuen Nutzungen Platz bieten könnte. Petzet und Wellner stellen sich vor, dass ein Teil der Parkdecks immer neu bespielt werde, etwa temporär mit einem Wochenmarkt, während die anderen weiter zum Parkieren genutzt werden könnten. Eine gewaltige Freitreppe soll zudem das Dach des Baus erschliessen, aus dem ein öffentlicher Platz werden soll. Diese «herausgehobene» Fläche wäre, so sagen die Architekten, ein wertvoller, urban bespielbarer Raum mit grossartigem Blick auf die bayerische Metropole.

 

> Hier geht es zur Petition von Muck Petzet und Mathieu Wellner.

> Petzet organisierte an der USI in Mendrisio im Oktober 2016 das Symposium «Teaching Sustainability». Er fragte: Wie kann man den Studierenden Nachhaltigkeit nahe bringen?

> Ein archithese-Heft zur bayerischen Architekturszene erscheint am 1. September 2018.

> In archithese 4.2017 Ruinen lesen Sie ein Interview mit Arno Brandlhuber, der sich ebenfalls für Strukturen stark macht, die offen für Aneignung sind. Ab 1. Dezember 2017 können Sie es im Webshop kaufen. 

> Auch Dieter Dietz beschäftigt sich mit Protostructures. Zu diesem Thema veranstaltet er im Sommer 2017 ein Symposium im House 2 auf dem Zürcher Toni-Areal.

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