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Abschied eines charismatischen Lehrers

In der Haupthalle der ETH Zürich wurde eine grosse Retrospektive zu Peter Märklis Lehrtätigkeit eröffnet.

 
Text + Fotos: Jørg Himmelreich – 2.3.2016

 

Peter Märkli war ein prägender und beliebter Lehrer an der Architekturabteilung der ETH – das hörte man immer wieder von Studierenden und es zeigte sich eindrücklich am Andrang bei der Ausstellungseröffnung vor einer Woche in der Haupthalle der ETH in Zürich. Mehr als 500 Studierende und Kollegen waren gekommen, um die Ausstellung am ersten Abend zu sehen und zugleich Märklis 14-jährige Arbeit als Professor zu würdigen. 

Auf eine musikalische Darbietung folgten drei Vorträge von Annette Spiro, Laurent Stalder und Peter Märkli – kohärent, sympathisch und zugleich inhaltsstark. Die Vorsteherin des D-ARCH Annette Spiro traute sich in ihrer eröffnenden Rede einige von Märklis Themen im Diskurs der Postmoderne zu verorten, relativierte aber sogleich: Märkli habe sich neben den Postmodernen und den Schweizer Analogen eine ganz eigene Position erarbeitet, denn sein Umgang mit der Architekturgeschichte sei eher mit denen von Hermann Muthesius, Gunnar Asplund oder Heinrich Tessenow vergleichbar. Es gehe Märkli darum, die Relevanz historischer Bauten zu zeigen, ohne jedoch die Gestaltungsfreiheit des Architekten einschränken zu wollen. Insgesamt stehe der Zürcher Architekt für eine Kunst der Synthese, welche die universellen Gesetzmässigkeiten der Architektur beachte, sie vielfältig mit der Hochkultur verzahne und sie doch zugleich auch mit dem Alltäglichen zu einer stimmigen Einheit zu verschmelzen vermöge.

Laurent Stalder knüpfte in seinem Vortrag daran an und nannte Märkli anachronistisch, betonte aber zugleich, dass er dennoch oder gerade deshalb nachhaltige und transdisziplinäre Arbeiten hervorbringe. Einige Gedanken Stalders kreisten um den Begriff der «Forschung» in der Architektur (ein Thema, das auch Schwerpunkt der kommenden archithese 2/2016 zur Zukunft der Architekturausbildung Anfang Juni sein wird) und merkte an, das die systematische Behandlung von Fragen (beispielsweise des Wohnens) im Studio und der parallele Test in Märklis Bauten im Sinne einer passionierten Recherche als Forschung bezeichnet werden könne oder müsse: Märkli habe induktiv aus dem Besonderen allgemeine Aussagen abgeleitet. Stalder arbeitete zwei wichtige Achsen heraus: Die Bandbreite der Massstäbe von der Stadt bis hin zur Intimität des Zimmers und eine Zweite Zeitachse, auf der Geschichte und Gegenwart nicht als Gegenpole sondern als Kontinuität gewertet werden. «Es geht Märkli darum, die Realität mit Hilfe von Architektur zu dechiffrieren, um einen übergeordneten Sinn zu finden.»
Um zu unterstreichen, das Märklis Position nicht als eine konservative verstanden werden dürfe, wies Stalder auf eine Semesteraufgabe hin, bei welcher der Ersatz eines denkmalgeschützen Hauses in Zürich entwerferisch erwogen wurde. Wenn der öffentliche Raum an Qualität gewinnen könne, so Märkli, dürfe durchaus auch der historische Bestand in Frage gestellt werden. Es gehe mehr um die Beständigkeit des Stadtgrundrisses, als um den zwanghaften Erhalt einzelner Objekte.

Mehrfach wurde erwähnt, das es der Überredungskünste der zwei Vorsteher Vittorio Lampugnani und Adrian Meier bedurfte, bis Peter Märkli sich darauf einliess, am Departement Architektur der ETH zu unterrichten. Die Fülle und Vielfalt der Arbeiten und Peter Märklis Rede hingegen machten deutlich, das ihm die Rolle als Lehrer hingegen sehr gut taugt. Märkli sprudelten seine Themen nur so hervor, als wäre es eine Antrittsvorlesung und keine Rede zum Abschied. Auch wenn einem die Themen und Argumente längst vertraut sind (viele sind im umfassenden Interview mit Peter Märkli in archithese 6/2015 nachzulesen), war es wohltuend sie erneut zu hören, nicht nur weil Märkli sie charmant vorzutragen weiss. Er zeigte einmal mehr auf, das es sich lohnt, sich einem Themenkreis ausgiebig zu widmen, hartnäckig zu sein und statt über die Umstände der Zeit zu klagen, nach dem gestalterischen und thematischen Freiraum in der Architektur zu suchen und ihn fruchtbar zu machen.

Die Ausstellung ist in weiten Zügen identisch mit einer Schau von Chantal Imoberdorf, die 2012 in der Gallery A3 in Tokio gezeigt wurde und zu der ein Buch erschienen ist. Die Ausstellungsarchitektur für Zürich wurde von Peter Märkli und wiederum von Chantal Imoberdorf entwickelt. Zur Schweizer Variante der Ausstellung ist nun eine leicht veränderte und erweiterte Ausgabe des Buches im gta Verlag erschienen. Neben neuen Studierenden-Projekten aus den Jahren 2012–2015 enthält es ein langes Gespräch zwischen Laurent Stalder und Peter Märkli, sowie Texte von C. Th. Sørensen und Robin Evans.

 

Die Ausstellung ist bis zum 3. April 2016 in Haupthalle der ETH Zürich in der Rämistrasse 101 zu sehen. Mo-Fr 6-22, Sa und So 8-17 Uhr. An Feiertagen geschlossen.



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