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Die Dialektik der Stadt

Alex Lehnerer ist kein Unbekannter am Departement Architektur, hat er doch seit 2011 eine Assistenzprofessur mit Tenure Track für Architektur und Städtebau inne. Im Rahmen seiner Einführungsvorlesung mit dem Titel «Die Stadt als kritisches Projekt der Architektur» stellt er am 2. Mai 2016 eine Auswahl seiner in den letzten Jahren entwickelten Projekte vor: Die Ergebnisse diverser Forschungsprojekte, Bücher, Ausstellungen und auch einzelne Bauten sind die Früchte seiner vielfältigen Arbeit. 

 

Text: Jørg Himmelreich – 29.4.2016

 

Dialektik der Stadt
Im Vortrag wird das Verhältnis von Architektur und Städtebau im Zentrum stehen. Alex Lehnerer und sein Team beobachten vermeintliche Widersprüche in den Ansprüchen von Individuum und Kollektiv, Konflikte zwischen Politik und Planung sowie Reibungen zwischen dem Anspruch auf Autonomie gegenüber den verallgemeinernden Ansprüchen von Kultur. Ihn interessieren die «Dritten Typologien»: Objekte, die zwischen den (vermeintlichen) Widersprüchen und Reibungen operieren und dabei das Potenzial haben zu alternativen und subversiven Ergebnissen führen. Diese werden in den Zwischenbereichen von klein und gross, Theorie und Baupraxis, Zeichen und Objekt gesucht. Die Arbeiten mit den Studierenden im Studio haben drei Schwerpunkte: Die Beschäftigung mit der Geschichte, die Frage nach Sprache und Ausdruck, und die Rolle von Architektur im Kontext der Kultur.

 

Lehre und Forschung
Der 1974 in Erlangen geborene Alex Lehnerer studierte Architektur an der University of California in Los Angeles und promovierte an der ETH Zürich. Nachdem er Professor an der Illinois School of Architecture war, nahm er vor vier Jahren eine Assistenzprofessur für Architektur und Städtebau am Departement Architektur der ETH in Zürich an.

Derzeit ist auf dem Hönggerberg die gta-Ausstellung 17 Volcanoes zu sehen. Sie markiert den Beginn eines dreijährigen Forschungsprojekts – eine Zusammenarbeit zwischen der Professur für Kunst- und Architekturgeschichte von Philip Ursprung und Alex Lehnerer. Hier im Blog lesen Sie eine Besprechung der Ausstellung von Hannah Knoop. Auch in archithese werden Sie Alex Lehnerer in Kürze gleich zweimal begegnen. Im Juni-Heft zum Thema «Bildungslandschaften» wird das Studio an der ETH mit wenigen ausgewählten Arbeiten portraitiert. (Mehr zur Vernissage der archithese 2.2016[nbsp]auf der Architekturbiennale in Venedig lesen sie hier.) Und auch für das September-Heft zur Postmoderne wird Alex Lehnerer als Autor in die Taste greifen.

 

Invertierungen
Mit Savvas Ciriacidis führt Lehnerer seit 2012 in Zürch ein gemeinsames Architekturbüro. Das Duo versucht mit seinen Projekten Architektur als kulturelle Praxis zu verorten – an der Schnittstelle von theoretischem Diskurs und gesellschaftlich engagierter Architektur. Bisher wurde nur Weniges realisiert, aber die Arbeiten sind vielversprechend und prägnant. Der Entwurf The second sun (2010) beispielsweise besticht durch seine Direktheit: Im Jahr 2007 begannen die Bauarbeiten für den Chicago Spire. Der von Calatrava entworfen Bau soll mit 610 Metern das höchste Gebäude Nordamerikas werden. Doch klafft vor Ort noch immer lediglich ein grosser Krater. Die Finanzkrise hat die Arbeiten 2008 nach dem Ausheben der Baugrube zum Stillstand gebracht. Das Büro um Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis schlug mit The second sun eine neue «Blase» vor: Eine grosser gelber Heissluftballon, der an eine «Sonne» erinnert, soll einen runden Swimmingpool schweben lassen, während die Brache zum neuen «Stadtstrand» würde. Ein kritisches Projekt, das jedoch zugleich einen konkreten Mehrwert für die Bewohner und den öffentlichen Raum bieten würde. Auch an anderen Wettbewerben hat sich das Team beteiligt, beispielsweise für die Baufelder 4 und 7 im Berner Quartier Brünnen. In ihrem Entwurf extrudieren die Architekten die beiden nebeneinander liegenden Parzellen zu plumpen Blöcken, um sie in einem nächsten Schritt im Inneren aufzubrechen. Eine Collage verschnittener Plätze perforiert die Grossform und etabliert damit heterogene Konfiguration zwischen Intimität und Extrovertiertheit.

Am bekanntesten ist sicher Lehnerers und Ciriacidis Arbeit Bungalow Germania, der deutschen Beitrag zur Architekturbiennale in Venedig im Jahr 2014, bei dem sie einen Nachbau des Kanzlerpavillons von Sep Ruf aus Bonn mit dem von Ernst Haiger 1938 neoklassizistisch umgestalteten Ausstellungsbau  in einen spannungsreichen Dialog gesetzt haben. (Zum Bungalow Germania siehe auch: archithese 5.2014 Fundamental Palace)

Die nächste Biennale an der Lehnerer mitwirken wird, ist die vom 1. Juni bis zum 18. September 2016 in Zürich stattfindenden Manifesta: Die Studentinnen und Studenten des Studios Lehnerer haben das Cabaret Voltaire in der Zürcher Innenstadt temporär umgestaltet, um den Ausstellungen und Performances im Rahmen des Dada-Jubiläumsjahres einen besonderen Rahmen zu geben.

 

Alex Lehneres Vortrag findet am 2. Mai um 17.15 Uhr im Auditorium Maximum (F30) im Hauptgebäude der ETH Zentrum, Rämistrasse 101 statt.

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