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Art City Lab

Neue Räume für die Kunst

 

Wie können im immer teureren Berlin noch Räume für Künstler freigespielt werden? Und wie kann es gelingen, diese vor den Mechanismen der Gentrifizierung zu schützen? Wie können Architekten helfen, bezahlbare Arbeitsräume für die Kreativszene zu schaffen? Das Architektenkooperativ raumlaborberlin versucht mit dem inspirierenden Buch Art City Lab. Neue Räume für die Kunst Antworten auf diese Fragen zu geben.

 

Text & Foto: Elias Baumgarten – 8.2.2016

 

Berlins Künstlerszene
Die Herausgeber liefern eine umfassende Analyse der aktuellen Situation der Künstler in Berlin und vermitteln einen guten Eindruck von der historischen Bedeutung der Kreativszene für die Stadt; Berlin ist seit dem Zweiten Welkrieg ein Anlaufpunkt für Künstler aus Deutschland und der ganzen Welt, was zu einem einzigartigen Milieu geführt hat. Die Herausgeber stellen bereits gebaute Ateliers vor und ordnen sie je einer drei Kategorien «Insel», «Nomade» und «Schnittstelle» zu. Besonders interessant scheint beim Lesen die Kategorie «Nomade», in der als mobile Objekte gedachte Ateliers versammelt werden, etwa das Zürcher Basislager oder das Platoon in Berlin, eine Assemblage aus Überseecontainern, die vier Ateliers nebst Gemeinschaftsräumen Platz bietet.

 

Resträume und Brachen als Nischen für Kreative
Wo könnten solche Ateliers in Berlin verortet werden, einer Stadt, in der die Mieten teurer und teurer werden und die Gentrifizierung allgegenwärtig ist? Die Architekten von raumlaborberlin schlagen mehrere Orte vor: die Reste der alten Bahnanlagen von vor 1945 mit ihren Trassen, leerstehende Lagern, Werkstätten und Depots, dazu Brachen entlang der ehemaligen Zonengrenze, kriegsgeschädigte Gebiet und das Tempelhofern Feld. Schliesslich wurden drei konkrete Bauplätze ausgewählt, die sich laut raumlabor aufgrund ihrer Lage und ihres Kontexts besonders gegen Mechanismen der Gentrifizierung sperren: Das Dong Xuan Center, Berlins grösster Asiamarkt in Lichtenberg, die Hertabrücke an der ehemaligen Ringbahn und das Tempelhofer Feld.

 

Leere Infrastrukturen zur Aneignung entwerfen
Die Entwürfe für diese drei Orte zeichnen sich durch die Verwendung industrieller Gebrauchsarchitekturen aus: Beim Dong Xuan Center soll eine «Ateliercluster» aus verschiedenen Bausystemen entstehen, an der Hertabrücke ein «Atelierregal» aus einem Parkhaussystem und auf dem Tempelhofer Feld ein «Atelierhof» aus Betonfertiggargen. Die Architekten erhoffen sich davon möglichst geringe Baukosten, die Ateliermieten von um 100 bis maximal 350 Euro ermöglichen sollen. Die industriellen Objekte sollen durch die Nutzer umgedeutet werden, Identität durch Aneignung entstehen. raumlabors partizipativer Ansatz wird zum Angebot einer bezahlbaren Infrastruktur, welche die Nutzer in Eigenregie und ohne weitere Vorgaben «bespielen» sollen. Die Botschaft ist klar: Architekten sollen kein Umfeld für Künstler planen, sondern ihnen lediglich günstige Strukturen zur Verfügung stellen und Orte ausfindig machen, die möglichst immun gegen Gentrifizierung sind. Hieraus spricht wohl die Erkenntnis, dass jedes «zu viel» an architektonischer Intervention kontraproduktiv sein kann, das kreative Potential von Brachen und Restflächen untergräbt und anfällig für Verdrängungsmechanismen macht. Vielleicht gelingt es so, partizipative Architekturen davor zu bewahren, zum Baustein der Konstruktion eines hippen Lifestyles zu geraten.

 

raumlaborberlin [Hrsg.], Art City Lab. Neue Räume für die Kunst, Jovis Verlag 2016.

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